Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Anwendung von Selbstcoaching-Prinzipien als praktikable Lösung, um persönliche & berufliche Herausforderungen zu meistern.
Systemisches Coaching erlebt in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Wie bei allen unregulierten Märkten und Branchen, besteht der Umstand, dass ohne klare Standards eine Art Wilder Westen entsteht. Wer sich mit dem Thema Coaching auseinandersetzt, steht oft einem unüberblickbaren Gemenge von Berufsbezeichnungen gegenüber. Dabei ist der Weg zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung näher, als viele denken. Selbstcoaching kann und wird die Lösung sein, zumal es innerhalb des gesamten Coachingprozesses einen signifikanten Faktor für den Erfolg der Zusammenarbeit darstellt.
Was genau ist Selbstcoaching?
Selbstcoaching (auch als Self Coaching bekannt) ist eine selbstgesteuerte Aktivität, die es Ihnen ermöglicht, sich auf Ihre Ziele hinzubewegen und Ihre nächste Herausforderung bereitwillig und begeistert anzunehmen, ohne hohe Kosten zu verursachen.
Selbstcoaching basiert auf der Prämisse, dass niemand Sie besser kennt als Sie selbst. Sie sind der Experte/die Expertin für Ihr eigenes Leben und Ihre Berufung. Mit Hilfe Ihrer Kreativität und der richtigen Methode können Sie für Ihre Problemen Ihre eigenen Lösungen entdecken. Die Fähigkeit sich selbst zu coachen, kann eine wichtige Ergänzung des eigenen Werkzeugkastens für die Persönlichkeitsentwicklung sein.
Lassen Sie mich jedoch einen Punkt klarstellen: Selbstcoaching ist eine ressourcenintensive Disziplin und kann nur von psychisch gesunden Menschen angewandt werden. Es ersetzt genauso wenig wie systemisches Coaching auch, in keinster Weise eine therapeutische Behandlung oder Betreuung.
Welche Vorteile hat das Selbstcoaching?
Sich selbst zu coachen kann in unzähligen Varianten erfolgen. Besonders zu Beginn eines Coachingprozesses bringt gezieltes Selbstcoaching einige Vorteile mit sich und kann im späteren Verlauf mit einem professionellen Coach vertieft werden.
Die Vorteile auf einen Blick:
- Es erfordert keine hohen Ausgaben, außer Ihre Zeit
- Da die Durchführung von Methoden ohnehin zum Coachingprozess gehört, bietet es einen guten Einstieg in die eigene Persönlichkeitsentwicklung
- Sie kultivieren Ihren inneren Coach, indem Sie Selbsterkenntnis und Selbstreflexion aufbauen
- Sie können kleinere Herausforderungen selbst in die Hand nehmen und die Kontrolle über Ihre eigenen Erfolge behalten
- Sie stärken Ihr Selbstvertrauen und Ihr Selbstwertgefühl
- Ihre Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten werden ebenso davon profitieren
- Sie werden zu Ihrem eigenen Ansprechpartner/ ihrer eigenen Ansprechpartnerin
Wann es sich lohnt, in begleitendes Coaching zu investieren?
Obwohl Sie sich mit einem soliden Methodenkoffer sehr gut selbst coachen können, ersetzt es bei einem hohen Leidensdruck kein begleitendes Coaching. Selbst ausgebildete Coaches nehmen Supervision in Anspruch, um sich weiterzuentwickeln. Und dafür braucht es in vielen Fällen einen empathischen und professionellen Gegenpart. Als qualifizierter Digitial und Business Coach, weiß ich, dass es wichtig ist, von Zeit zu Zeit eine Anleitung zu haben. Bei einigen Themen braucht man jemanden, der einen begleitet und dabei behilflich ist, den Perspektivwechsel zielgerichtet umzusetzen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Genau an diesem Punkt ist es ratsam, einen Coach zu engagieren.
Sollten Sie bereits professionelle Unterstützung gefunden haben, kann Selbstcoaching als Ergänzung betrachtet werden.
Was haben Selbstcoaching und begleitendes Coaching gemeinsam?
Wie bereits ausgeführt, kann Selbstcoaching in jedem professionellen Coachingprozess enthalten sein. Daher liegt auch der Umstand nahe, dass beide Disziplinen den gleichen Grundannahmen und Bedingungen folgen sollten.
Erkennen der Grenzen
Verkürzt ausgedrückt ist Coaching das zeitlich eingegrenzte , zielorientierte Beraten von Klientinnen/Klienten, die über ausreichend Ressourcen verfügen. Psychotherapie setzt auf ein länger anhaltendes Setting und zielt zusätzlich auf psychische Erkrankungen ab, durch welche Klientinnen/Klienten einen Mangel an Selbstmanagement-Fähigkeiten aufweisen (Mehr dazu im Coaching-Report von der Rauen Group). Diese Unterschiede zwischen Coaching und Psychotherapie sind maßgeblich, wenn man sich dafür entscheidet, sich selbst zu coachen. Sollte man bei sich selbst feststellen, dass die Kraft nicht (mehr) vorhanden ist oder die eigenen Themen einen menschlichen Gegenpart benötigen, dann kommt Selbstcoaching an seine Grenzen. Professionelle Unterstützung durch ausgebildete Coaches oder Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten ist dann der richtige Weg, zumal diese einen vollumfänglichen Methodenkoffer in die Zusammenarbeit mitbringen.
Begrenzter Zeitrahmen
Wie beim systemischen Coaching sollte das Selbstcoaching nicht in Dauersitzungen mit sich selbst ausarten. Zielorientiertes Analysieren und Arbeiten sind hier gefragt. Dafür werden Herausforderungen innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens Schritt für Schritt identifiziert und betrachtet. Schließen Sie einzelne Themen ab, bevor Sie sich in mehreren Themenkomplexen verlieren.
Folgen Sie einem definierten Prozess
Definierte Prozesse sowie etablierte Methoden schaffen Sicherheit und bilden die Grundlage für einen gezielten Einsatz Ihrer Ressourcen und den zu erwartenden Ergebnissen. Hierbei kann es beispielsweise lohnenswert sein, sich an bestehenden Modellen, wie SMART oder RUBIKON zu orientieren. Einen detaillierten Schritt-für-Schritt-Prozess für das Selbstcoaching finden Sie weiter unten.
Mehr Emotionen und weniger Wertungen
Coaching lebt von Emotionen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Sie beim Selbstcoaching auf Ihre Gefühle vertrauen sollten und dahingehend Wertungen bestmöglich beiseiteschieben. In einem professionellen Coachingrahmen werden Handlungen sowie Emotionen von Klientinnen/Klienten nicht bewertet. Diese werden wahrgenommen sowie akzeptiert und bilden mit unter die Wertegrundlage, auf der Sie auch im Selbstcoaching aufbauen sollten. Eine Auf- oder Abwertung Ihres Verhaltens ist nicht zielführend und verhindert sogar die reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Wirken. Möchten Sie also innerhalb des Selbstcoachings eine unerwünschte Gewohnheit aufs Abstellgleis stellen, so akzeptieren Sie Ihren bisherigen Weg, welcher zu dem jetzigen Punkt geführt hat, reflektieren Sie Ihr bisheriges Verhalten, ergründen Sie gegeben falls in der Vergangenheit getroffene Glaubenssätze und arbeiten Sie methodisch an Ihrem eigenen Reframing.
Kommen Sie in Handlung
Für das Herbeiführen von Veränderungen, gilt es diese anhand von eigenen Maßnahmen zu verstetigen. Diese Prämisse kommt mit der Grundauffassung einher, dass Sie selbstverantwortlich für Ihr Leben und zukünftige Ereignisse sind. Zwischen Intention und einer Aktion stehen jedoch meist eigene Vorbehalte sowie Glaubenssätze. Damit das Selbstcoaching bestmöglich wirksam ist, gilt es diese „Intentions-Verhaltens-Lücke“ zu überschreiten. Wie dies genau funktioniert, klären wir in den nächsten Punkten.
Welche Ergebnisse sind beim Selbstcoaching zu erwarten?
Ein Ergebnis, welches Sie zu jeder Zeit erwarten können, ist Klarheit. Darüber hinaus schafft Selbstcoaching vor allem folgende Erkenntnisse:
- Sie schärfen Ihren Fokus für die eigenen Ziele und entdecken konkrete Wege für eine Umsetzung.
- Sie entwickeln eine positive Erwartungshaltung gegenüber anderen Menschen, aber auch an sich selbst.
- Sie stärken Ihre Selbst- sowie Fremdwahrnehmung und treffen eigenverantwortlich Entscheidungen, mit denen Sie sich gut fühlen werden.
- Sie entwickeln eine neue Sicht auf bestehende Themen sowie auf den zukünftigen Umgang mit diesen.
- Das vielleicht wichtigste Ergebnis ist, dass nicht mehr warten oder auf äußere Umstände reagieren, sondern selbst agieren und Veränderungen initiieren.
Wie funktioniert Selbstcoaching? Der Ablauf!
Aller Anfang ist schwer. Damit wir dieser Phrase zuvorkommen, habe ich Ihnen einen einfachen Schritt-für-Schritt-Prozess zusammengestellt, mit dem Sie mit Ihrem Selbstcoaching beginnen können.
Mögliche Fragestellungen für ein Selbstcoaching könnten sein:
- Wie kann ich mit Ängsten und Zweifeln besser umgehen?
- Wie löse ich Konflikte?
- Wie trete ich selbstsicherer auf?
- Wie kann ich Krisen und Stress vorbeugen?
- Wie motiviere ich mich und andere?
1. Skizzieren Sie Ihre Selbstcoaching-Themen
Der menschliche Geist ist komplex und zu jeder Zeit können wir mit mehreren Ideen, Sorgen und Problemen beschäftigt sein, die in unserem Kopf auf und ab hüpfen. In dieser Phase hilft es, erst einmal alles aufzuschreiben. Notieren Sie sämtliche Themen und Fragestellungen, die Sie beschäftigen, auf einem Blatt Papier. So bekommen Sie direkt Klarheit darüber, was Sie eigentlich erreichen wollen. Hierfür eignet sich ebenso eine Skalierungstechnik, um die jeweiligen Themen zu priorisieren.
Alternativ können Sie das sogenannte „Lebensrad“ nutzen, um verschiedene Bereiche in Ihrem Leben zu identifizieren, die einer Verbesserung bedürfen.
2. Die passende Selbstcoaching-Methode
Je nach Anlass und Problemstellung können verschiedene Selbstcoaching-Methoden passend für Sie sein. Nutzen Sie hierfür gerne unser ausgewähltes Methodenset (Selbstcoaching Methodenkoffer). Dieses können Sie hier kostenfrei herunterladen.
3. Reflexion
Innerhalb des Coaching-Prozesses kann es jederzeit zu begrenzenden Überzeugungen und Glaubenssätze kommen. Es ist einfach ein Teil des eigenen Wesens, sich in einigen Situationen selbst zu sabotieren und den eigenen Fortschritt zu behindern. Und genau an dieser Stelle hilft es, mittels einer Selbstbefragung die eigenen Motive sowie das eigene Verhalten zu reflektieren.
Es gibt verschiedene Arten von einschränkenden Glaubenssätzen, wie z. B. Verallgemeinerungen, mentale Filter, emotionale Argumentation, Verzerrungen, Vergrößerungen, Etikettierungen, Herunterspielen des Positiven usw. Sie können diese Überzeugungen hinterfragen, indem Sie die folgenden Fragen nutzen:
- Ist diese Überzeugung immer wahr?
- Tätige ich irgendwelche Annahmen?
- Basiert mein Glaube auf begrenztem und unvollständigem Wissen?
- Welche Beweise/Belege gibt es, um meine Überzeugung zu stützen oder zu negieren?
- Welche anderen Faktoren muss ich in Betracht ziehen?
- Was würde jemand, dem ich vertraue, von meiner Schlussfolgerung halten?
- Wer sagt, dass die Dinge so sein sollten?
- Wie könnte ich diese Situation sonst noch betrachten?
- Übernehme ich die Verantwortung für etwas, das nicht meine Schuld ist oder innerhalb meiner Kontrolle liegt?
- Was sehe ich nicht oder erkenne ich nicht an?
- Wie kann ich die Situation anders sehen?
- Was könnte eine positivere Überzeugung sein?
4. Stellen Sie eine Verantwortlichkeit her, indem Sie einen Aktionsplan entwickeln
Jetzt ist es an der Zeit, Ihren Aktionsplan zu erstellen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Ziele motivierend sind und Sie fordern! Setzen Sie sich z.B. Ziele mit der SMART-Methode – Stellen Sie sicher, dass die Ziele spezifisch, akzeptiert und individuell sind, überprüft werden können sowie inspirierend und zeitlich begrenzt sind. Als Nächstes legen Sie die einzelnen Schritte fest, um das Ziel zu erreichen. Jeder Schritt sollte mit einer Frist versehen sein, damit er Sie auf Ihr Ziel hinführt. Denken Sie an Ihre Verantwortung sich selbst gegenüber und halten Sie sich an jeden einzelnen Termin, den Sie setzen. Sie können Visualisierungstechniken (Tabellen, Mindmaps, Grafiken etc.) einsetzen, die Ihnen bei der Realisierung zu helfen. Erstellen Sie außerdem eine Belohnungsliste. Dies hilft Ihnen, sich nach jedem Schritt zu belohnen, um motiviert auf Kurs zu bleiben. Wenn Sie Ihre Reise in kleinere Meilensteine unterteilen und diese feiern, gibt Ihnen das ebenso ein Gefühl von Zielstrebigkeit und Motivation.
5. Legen Sie los:
Gratulation! Sie sind jetzt bereit, loszulegen. Aber bedenken Sie: Selbstcoaching ist nicht einfach. Es erfordert Geduld und Übung und Sie müssen die Motivation und den Schwung/Flow aufrechterhalten. Rückschläge werden unvermeidlich sein, aber betrachten Sie diese als Lernprozesse und nicht als Misserfolge. Wenn es mit Hingabe verfolgt wird, könnte Selbstcoaching Sie in unzähligen Situationen und beim erreichen Ihrer Meilenstein sowohl in Ihrem privaten sowie im beruflichen Leben unterstützen.
Fazit
Selbstcoaching liegt im Trend und bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Selbstverständlich exisitieren auch bei diesem Ansatz Grenzen, da man Coach*in und Klient*in zugleich ist. Sollte man feststellen, dass man nicht mehr wertschätzend mit sich selbst umgeht, dann kann professionelle Unterstützung sinnvoll sein. Für „kleinere“ Herausforderungen und dem Bewusstmachen der eigenen Ziele, Bedürfnisse und Glaubenssätze, kann Selbstcoaching bestens eingesetzt werden.
Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie Selbstcoaching-Methoden bereits ausprobiert oder könnten Sie sich vorstellen, das Ganze einmal zu versuchen? Lassen Sie mich es in den Kommentaren wissen.