18. Mai 2023 Kinga Bartczak

Unternehmenskultur im Wandel: Tausche Umsatzanteile gegen Lebensanteile

Wie eine Kulturrevolution den faulen Deal der Arbeitswelt zum Platzen bringt

Unternehmenskultur im Wandel-Artikelbild

Ständig versuchen wir etwas zu beeinflussen: Den Markt, das Kaufverhalten der Kunden/Kundinnen, die Arbeitsweise der eigenen Mitarbeitenden.

Wir werden zu Überoptimierern. Wir fangen an, Menschen wie Rohstoffe zu behandeln und „managen“ ihre Arbeitsabläufe. Doch die Arbeitswelt hat sich in den letzten 150 Jahren verändert, auch wenn diese Veränderung auf Managementebene als Botschaft nur schleichend anzukommen scheint. Wir bewegen uns von der industriellen Arbeitswelt zur Wissensgesellschaft. Doch dass Kreativität, Innovationsgeist, emotionale Intelligenz oder Empathie nun die neuen Währungsformen sind und nicht, wie immer noch propagiert, Effizienz, Anwesenheit und übermäßiger Einsatz, das kommt nur im Schneckentempo in der Unternehmenswelt an. Immer noch wird die Extrameile verlangt, es wird über mehr „Bock“ auf Arbeit diskutiert und die Erhöhung der Arbeitszeit verlangt sowie über ein mögliches Renteneintrittsalter ab 70 Jahren gesprochen.

Das ist der Grund, warum es uns gibt.

Als UnternehmerRebellen haben wir verstanden, dass es eine Verhaltens-Revolution braucht. Wir müssen alte Strukturen neu denken. Schluss mit der Farbeinteilung von Mitarbeitenden, um sie hierdurch noch besser in Schubladen stecken zu können und her mit neuen Arbeitsformen und Rahmenbedingungen, die eine wertschöpfende Arbeitskultur ermöglichen.

Existenzielle Flexibilität erfordert radikale Veränderung und das bedeutet auch darüber nachzudenken, ob man neue Ideen mit altem Handwerkszeug denken kann oder ob dieses nicht weichen muss, um neuen Lösungsansätzen Platz zu machen.  (als Zitat)

Manchmal muss man sein Territorium verlassen, um erneut das kalte Wasser zu suchen oder wie man so schön sagt: Die gute alte Komfortzone verlassen und zwar nicht nur in seinem Aufgaben-, sondern auch in seinem kompletten Themenfeld.

Die Disruption veralteter Arbeitsformen ist kein Mythos, sondern eine Tatsache

Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Machtverlagerung deutlich spürbar wird. Nicht nur, dass wir in vielen Branchen einen starken Arbeitnehmendenmarkt haben, auch die Diskurse, Forderungen und Wünsche werden proaktiver, direkter und nachdrücklicher in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die Pandemie war hierfür sicher nicht der Auslöser, doch sie wirkte wie ein Brennglas und schärfte den Blick für längst notwendige Veränderungen. So setzen sich Arbeitnehmende zunehmend mit Themen, wie Selbstorganisation, Selbstwirksamkeit oder auch der eigenen Selbstreflexion auseinander. 

Hierdurch wurde die Frage nach der Notwendigkeit einer Führungskraft aufgeworfen, denn wenn ich mir mein Homeoffice selbst ergonomisch einrichten kann, Pausen mache, wenn ich sie für notwendig halte, die selbstgeschriebenen Tickets souverän abgearbeitet werden, die Kommunikation mit Kunden/Kundinnen von zu Hause aus in einem freundlichen und vertrauerten Rahmen stattfindet. Es stellt sich die Frage: Braucht es letzten Endes dann überhaupt noch Führungskräfte oder Manager*innen und wenn ja, wie sollten die Funktionen dieser Rollen künftig neu gedacht werden?

Zurück ins Büro – So haben wir das schon immer gemacht und so wird es auch bleiben?!

Zumindest nicht, indem man versucht, bewährte Strukturen unter dem Deckmantel der Fürsorge zurückzudrehen. Die Argumente lauten hierbei, dass die Mitarbeitenden vereinsamen, ihnen der Kontakt zur restlichen Belegschaft sowie die festen Arbeitsstrukturen fehle. Ich frage mich in diesem Rahmen oftmals, welche Mitarbeitendenbefragung oder welcher Employee Net Promotor Score (ENPS) hier vorangegangen ist, um diese Annahmen zu rechtfertigen. Obwohl die oben genannten Punkte durchaus zutreffen können, gehört es ebenfalls zur Wahrheit, dass sich Mitarbeitende Lebenszeit, Arbeitsweg, Emissionen, Stress und toxischen Flurfunk-Talk sparen. Ich würde hier sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass das Homeoffice hierbei sogar noch einen integrativen Charakter haben kann: Teilzeitkräfte konnten durch die “neue” Flexibilität plötzlich auch am Nachmittag an Terminen teilnehmen, weil sie eben nicht von Termin zu Termin hetzen mussten, um ihr „zweites Leben“ nach der Arbeitsstätte ebenfalls zu wuppen. Doch anstatt in die Kommunikation zu gehen und im Sinne des kollektiven Miteinanders auszuarbeiten, welche Lösungsmöglichkeiten am effizientesten sind, ordern die alteingesessenen Vertreter*innen der preußischen Arbeitskultur ihre Soldatinnen und Soldaten zurück ins Büro. Mit dem Ziel, die alten Macht- und Kontrollstrukturen wieder durchzusetzen und ganz im Sinne des Manager-Begrifflichkeitsursprungs die Motivations-Peitsche zu schwingen und die Manege im Gleichklang performen zu lassen…

…dachten sie jedenfalls. Es regt sich täglich Widerstand.

Von der industriell geprägten Führungskultur zur menschlichen Vertrauenskultur

Was wir als Organisationsentwickler*innen-Team erleben, ist jedoch ein Beben, und zwar eines, das so intensiv ist, dass es nun auch die letzten Ecken der Arbeits- und Unternehmenswelt aufgerüttelt hat. Führungskräfte sowie Manager*innen sind ratlos, versuchen mit Motivationsredner*innen wieder ein wenig Energie und Motivation in den Arbeitsalltag zu bringen oder locken die Mitarbeitenden mit neuen Benefits zurück ins Büro. Doch der Wandel ist schon längst ins Rollen gekommen und sie merken, dass wir uns von der Führungs- zur Vertrauenskultur bewegen. Es ist in den wenigsten Fällen noch notwendig, Menschen zu sagen, wie sie zu denken, zu arbeiten und wann sie Pausen zu machen haben. Ideenreichtum, Innovation und Kreativität entstehen durch eine neue Form der Führung. Wenn wir in diesem Kontext in der Organisationsentwicklung beratend tätig sind, sehen wir die Divergenz zwischen dem „Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip” und dem Potenzial-Prinzip. Führungskräfte versuchen weiterhin positives Verhalten zu belohnen, während negatives Verhalten sanktioniert wird. 

Gut zu Führen bedeutet Macht abzugeben

In diesem Kontext fragen wir uns also zurecht: Wo sind die Impulse, wo wird (Budget-)Verantwortung übergeben, an welcher Stelle wird Vertrauen ausgesprochen und ein guter Umgang mit Fehlern gelebt? Eine neue Form der Unternehmenskultur wird nicht erlebbar gemacht, indem man mit alten Glaubenssätzen („Ich habe früher auch Überstunden gemacht“ / „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“) neues schaffen möchte. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitenden helfen, in die eigene Kraft zu kommen, ihr Potenzial zu entfalten und ihre Arbeit so zu verrichten, dass sie darin Erfüllung finden. Wir bewegen uns also weg davon, Menschen zu „managen“ und beginnen damit, uns wie Führungskräfte zu verhalten und das beginnt bereits beim ersten Kennenlernen sowie der ersten, verschriftlichten „Kollaborations-Vereinbarung“ (auch Arbeitsvertrag genannt). Wir können nicht erwarten, dass jemand „die Extrameile“ geht, wenn wir ihm einen vorgefertigten Arbeitsvertrag vorlegen, bei dem er/sie kein Mitspracherecht hat. Es müssen Arbeitszeiten, Shared-Positioning-Optionen, alternative Arbeitskonzepte, Personalentwicklungsmaßnahmen (Trainings, Coachings, Fortbildungen, und zwar nicht nur nach Interesse des Unternehmens, sondern im Interesse der persönlichen Entwicklung des Arbeitnehmenden), Gehaltsanpassungen sowie Mentoring-Programme, Events oder ähnliche Optionen im Vertrag enthalten sein. Hier kommen Menschen zusammen, die gemeinsam wachsen wollen. Findet sich das im Arbeitsvertrag nicht wieder, wird genau das eintreffen, was verlangt wird: Der Arbeitgebende geht seiner Fürsorgepflicht nach und der Arbeitnehmende bringt seine Kenntnisse insoweit ein, als das es seinem Paycheck am Ende des Monats entspricht – Das und nicht mehr. Wir sollten an dieser Stelle also keine Stellenbeschreibungen kreieren, in welche Menschen „hineingegossen“ werden, sondern Talente suchen, um deren Fähigkeiten herum wir eine Stelle kreieren und die ihr Potenzial am meisten fördert.

Gemeinsam für eine wertschöpfende Arbeitswelt

Um nicht erneut in die altbewährte, asymmetrische Machtstruktur zu rutschen, die zumeist zu Unzufriedenheit, Motivationslosigkeit und schlimmstenfalls zur Kündigung führt, ist es wichtig, das Grundprinzip von Führung tatsächlich zu verstehen. Führung bedeutet vor allem nicht Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen und das erste, was man hinterfragen sollte, ist die Machtstruktur selbst, die mit der Führungsposition einhergeht.

Veränderungen sind schmerzhaft. Für manche ist ein solcher Prozess mit Kontroll- und Prestigeverlust verbunden. Das führt selbstverständlich zu Unsicherheiten und zu Widerstand. Die reine Förderung der Partizipation, ohne dass sich Machtstrukturen verändern oder Macht gar verlagert wird, ist in diesem Kontext in ihrer Intention jedoch stets zu hinterfragen. Gebe ich Menschen mehr Mitspracherecht, damit sie effizienter arbeiten, behandele ich diese erneut wie Rohstoffe.

In diesem Zuge sollten wir auch das Wort „Mitarbeitendenbindung“ neu denken, welches ebenfalls einem negativen Machtverständnis folgt. Warum sollten wir durch Benefits versuchen, Mitarbeitende zu binden, wenn wir ihnen stattdessen mehr Freiheit schenken können, um sie hierdurch frei entscheiden zu lassen, inwieweit ihnen die Rahmenbedingungen sowie Strukturen entgegenkommen und wo sie sich selbst noch kreativ mit einbringen können? Gehen wir hierbei noch einen Schritt weiter. Mitarbeitende stellen sich zunehmend die Frage, welchen Sinn bzw. Einfluss ihre Arbeit generell hat. In diesem Zuge wäre es angebracht, diese Sinnfrage auch als Geschäftsführende an sich selbst zu richten, denn: 

Wer seinen eigenen „Purpose“ nicht kennt, wird es schwer haben, andere dabei zu unterstützen, die Wertschöpfung auch innerhalb ihres eigenen Arbeitsprozesses zu erkennen. 

Welcher Vision folge ich, was möchte ich hinterlassen?

Auch wir stellen uns diese Frage stets aufs Neue, auch um sicher zu gehen, dass unsere Werte mit dem Geschäftsmodell einhergehen. Wir möchten eine nachhaltige und wertschätzende Arbeitswelt schaffen, in der all das im Text beschriebene, gelebte Realität ist. Wir möchten Beschäftigte zu Beteiligten machen und so beiden Seiten die Möglichkeit geben, sich erneut als Menschen zu begegnen. 

Wir sollten uns von dem Zwang nach Optimierung, Effizienz und der Erreichung stetig wachsender Kennzahlen befreien, denn das andauernde Streben nach Gewinnmaximierung ist wie das Trinken eines mit Salzwasser gefüllten Glases: Du möchtest immer mehr und wirst doch stets durstig zurückbleiben.

Stattdessen sollten wir den Fokus zurück auf den Menschen, die Kommunikation und die Motivation lenken, denn eine Arbeitswelt, in der die Gewinne stimmen, aber die Menschen wie nasse Handtücher ausgewrungen und weggeworfen werden, ist eine Welt, die zum Scheitern verurteilt ist.

Aus diesem Grund ist dieser Artikel nicht nur zum Schmunzeln, Kopfschütteln oder Polarisieren gedacht, sondern eine klare Aufforderungen an alle Rebellinnen und Rebellen unter euch:

Lasst uns gemeinsam die Designer*innen der Unternehmenskultur von Morgen werden und Strukturen rebellisch hinterfragen, die nicht mehr zeitgemäß sind. All das zu Gunsten einer Mensch-fokussierten Arbeitswelt, die einem höheren Sinn folgt, als der nächsten Gewinnprognose.

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Kinga Bartczak

Geschäftsführerin UnternehmerRebellen GmbH, Herausgeberin FemalExperts Magazin, Organisationsentwicklungs- und Human Resources-Expertin sowie Trainerin und Business Coach

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