Wenn man sich in der unternehmerischen Landschaft genauer umsieht, kommt man nicht umhin zu bemerken, dass die weit verbreitete amerikanisierte „The-Winner-Takes-It-All-Mentalität“ immer noch weit verbreitet ist und das, obwohl diese mittlerweile völlig überholt ist.
Jeder möchte DAS Unicorn-Unternehmen starten, die Start-up-Szene schwimmt regelrecht auf einer First-Mover-Welle und legt all ihre Ambitionen in Projekte und Ideen, die den Markt revolutionieren sollen.
Ich muss gestehen, mir gefällt dieser Zeitgeist, jedoch zeigt uns die Erfahrung, dass nicht immer die neusten und besten, sondern oftmals die (wieder) neu entdeckten Ideen die Märkte erobern.
Vom First Mover zum Perfect Mover
Zu den sogenannten „Perfect Movern“ zählen Unternehmen, die bereits bestehenden (technische) Ideen nutzen, weiterentwickeln und anders denken und hierdurch letztlich neue Lösungen schaffen.
Bekannte Beispiele sind unter anderem:
- Apple
- Spotify
- Netflix
- Coca Cola
Es gab bereits vor ihnen erfolgreiche Technologieanbieter, funktionsfähige Suchmaschinen, Social Media- und Onlineplattformen, erste lokale Streamingangebote sowie auch zuckerhaltige Kaltgetränke.
Entscheidend war jedoch, dass die Perfect Mover es schafften, den perfekten Zeitpunkt des Markteintritts zu wählen und eine fortwährende Plattformökonomie aufzubauen. Sie analysierten bereits vorhandene Lösungen, integrierten bestehende Funktionalitäten, entwickelten weiter, was nicht mehr dem Zeitgeist entsprach und erfanden neu, was noch nicht gedacht worden ist.
Apple ist hierbei ein Paradebeispiel für den Pioniergeist eines Perfect Movers oder auch Second Movers. Steve Jobs und sein Team zeigten auf eindrucksvolle Art und Weise, wie man von der Konstruktion eines Macintosh (kurz: Mac) zu einer neuen Generation des digitalen Erlebnisses gelangt. Hierbei sind nicht nur die Produkte selbst (iPhone, Apple Watch, iPod, iPad etc.) oder der Musikstreaming-Dienst (iTunes) beeindruckend. Der eigentliche Innovationscharakter zeigt sich vor allem in dem ganzheitlichen System, welches seine User*innen intuitiv an die Nutzung und die Marke „Apple“ heranführt (Apple Store) und hierdurch eine lebenslange Community schafft. Nicht umsonst steigt Apples Umsatz hinsichtlich der Dienstleistungen und Services jedes Jahr stärker an.
Sind Sie Unternehmer*in oder Unterlasser*in?
Die gute Nachricht ist: Die oben genannten Umstände wiederholen sich in immer gleichem Maße und Innovationsgeist ist keine „Elite-Eigenschaft“, die nur besonderen Innovatoren/Innovatorinnen vorbehalten ist.
Jedes Unternehmen kann eine Kultur der kreativen Schöpfung schaffen, in welcher Ideen analysiert, beobachtet, integriert, fortentwickelt und hierdurch Herausforderungen neu gelöst werden können.
Hierzu gilt es das Konzept der sozialen Innovation zu berücksichtigen. Um es einfach zu formulieren: Eine erfolgreiche Innovationskultur bedeutet nicht, jederzeit das beste Produkt/die beste Dienstleistung zu besitzen, sondern deren Nutzen für die Gesellschaft zu gestalten.
Die institutionelle, zeitliche und kulturelle Dimension spielen hier also eine entscheidende Rolle, denn in der Regel sind Produkte/Dienstleistungen pauschal nicht schlecht oder gut, die Bewertung obliegt der gesellschaftlichen Akzeptanz und diese wiederum bildet sich aus dem aktuellen Zeitgeist. Eine erfolgreiche Innovation bildet somit einen klaren Mehrwert für die anvisierte Zielgruppe.
Bevor es um die Produktentwicklung oder um die Integration neuer Dienstleistungen ins unternehmerische Portfolio geht, sollte zunächst eine wertschöpfende Unternehmenskultur geschaffen werden.
Hier unterscheiden sich Unternehmer*innen von Unterlasser*innen. Erstere erkennen den Zahn der Zeit, investieren in unterstützende Beratungs- und Workshopangebote und folgen hierdurch einem Konzept der fortwährenden Veränderungskultur. Letztere wiederum folgen dem „First Mover“- Prinzip, arbeiten sich krampfhaft an neuen Produktpaletten und Dienstleistungsangeboten ab und investieren ihre Energie in die stetige Suche nach der EINEN Idee, die ihnen die Marktmacht sichert.
Das letzteres nicht funktioniert, wurde bereits eingehend beschrieben, doch wie gelingen die ersten Schritte in Richtung erfolgreicher Innovationskultur?
5 Tipps für eine erfolgreiche unternehmerische Innovationskultur
1. Mitarbeitende sowie Externe zu Beteiligten machen (Co-Creation)
Innovationen lassen sich nicht nach dem Top-Down-Prinzip umsetzen. Hier empfiehlt sich: Raus aus der dunklen Management-Kammer, hin zum Innovation-Cube und los geht es mit Ideenwettbewerben. Laden Sie die besten Köpfe Ihres Unternehmens sowie externe, interessierte Experten/Expertinnen ein, das nächste Projekt nicht nur abzuarbeiten oder auszuarbeiten, sondern es für sich zu beanspruchen. Es soll IHR Projekt werden. Hierzu ist es wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen.
2. First Mover – Second Mover
Erfinden Sie nicht die Welt neu, schauen Sie sich eher genauer um. Was gibt es bereits auf dem Markt? Welche Systeme, Plattformen, Produkte oder Dienstleistungen beeindrucken Sie? Was können Sie lernen? Was können Sie adaptieren oder weiterentwickeln? Manchmal entdeckt man hier sogar Möglichkeiten der Kooperation, ganz nach dem Motto: „If you can’t beat them, join them.“ D.h. auch hier können Sie problemlos dem Co-Creation-Ansatz folgen.
3. Mehrwert statt Ego
Vergessen Sie die „One-Billion-Dollar-Idee“. Es ist ähnlich wie mit der Partner*innen-Suche: Immer dann, wenn man verzweifelt danach sucht, findet man niemanden, der zu einem passt. In dem Augenblick, wo man den Fokus loslässt und sich anderen Themen widmet, *boom* steht er/sie plötzlich da. Denken Sie daran, es geht im Bereich Innovation nicht um Sie, es geht stets um die Akzeptanz, also den Nutzen/Mehrwert für andere. Sie werden sehen: In dem Augenblick, wo Sie Ihre Perspektive verändern, wird der Markt sein Augenmerk auf Sie richten und mehr von dem wollen, was sie kreieren.
4. Bleiben Sie Unternehmer*in und nicht Unterlasser*in
Sollten Sie bereits selbstständig sein oder gar ein Unternehmen führen, ist Ihnen dieser Punkt vermutlich vertraut: Entscheidungen zu treffen, ist Ihr „Daily-Business“. Geben Sie Verantwortung ab, auch auf die Gefahr hin, dass Sie das Ergebnis noch nicht kennen oder Unsicherheit im Prozess aushalten müssen. Es ist besser, eine Entscheidung zu treffen, als aus Angst vor Verlust lediglich den „Status Quo“ im Blick zu haben.
5. Holen Sie sich Unterstützung
Innovationsmanagement ist kein Wellness-Trip. Es ist ein Prozess, der stetige Weiterentwicklung erfordert. Die meisten Unternehmer*innen pendeln jedoch im Rahmen ihres alltäglichen Geschäftes zwischen Führungs- und Managementaufgaben hin und her, weshalb dieses Thema oftmals nur oberflächlich behandelt wird. Wer ein/e Rebell/in sein möchte, muss jedoch voran gehen und darf sich nicht im alltäglichen Geschäft verlieren. Holen Sie sich hierzu andere Rebellen/Rebellinen an Ihre Seite und machen Sie diese zu Ihren Sparringpartner/-innen. Gemeinsam lässt sich viel effizienter auf bestehende Konzepte blicken, eine kritische Bestandsaufnahme durchlaufen oder einen ganzheitlichen, systemischen Blickwinkel einnehmen.
Vor allem letztere Maßnahme gehört zu einem Instrument, welches die Perfect Mover ebenfalls schon lange für sich entdeckt haben.
Fazit
Es wird Zeit, aus dem unternehmerischen Innovationskoma aufzuwachen und gemeinsam mit allen Beteiligten eine Unternehmenskultur zu schaffen, die bestehende Strukturen nicht erhält, sondern dem Bestreben folgt, Neues zu entdecken, zu kreieren und dauerhaft Innovationen voranzutreiben.
Die Frage, die bleibt, lautet nun:
Sind Sie Rebell*in genug, um neue Innovationswege zu betreten?